Overnight + Ultrashort: Geldmarktfonds oder Tagesgeld?

Seit einigen Monaten können Sparer endlich wieder Zinsen vereinnahmen. Im II. Quartal 2023 wurde bei Tagesgeldkonten erstmals nach langer Zeit wieder die 3% Marke überschritten. Nun stellt sich die Frage, ob Geldmarktfonds eine ähnliche sichere, aber ggf. höher rentierliche Alternative zu Fest- und Tagesgeldanlagen bieten können.

Ende Mai 2023 bietet eine bekannte Direktbank 3,25% Verzinsung p. a. für Tagesgelder, garantiert für 6 Monate. Im Insolvenzfall würde die deutsche Einlagensicherung Sparer bis max. 100000€ entschädigen. Ein wichtiges Kriterium, wenn man an Pleitefälle der Vergangenheit, wie z. B. die isländische „Kaupthing-Bank“ zurück denkt.

Im Vergleich mit diesem Tagesgeld-Angebot erscheinen Geldmarktfonds interessant, welche die folgenden Kriterien erfüllen:

  • kein Währungsrisiko (nur Euro-Anlagen)
  • kalkulierte Rendite nahe 4% p. a.
  • Volatilität 1 Jahr < 1%
  • handelbar über Neo-Broker (wie z. B. finanzen.net Zero oder JustTrade), damit An- und Verkaufskosten nicht signifikant die Rendite drücken

Nach dem Durchforsten diverser Datenbanken bleiben aktuell nur zwei ETF übrig, welche die o. g. Kriterien erfüllen könnten:

  • Xtrackers oder Lyxor Euro Overnight
  • Ishares Euro Ultrashort

Im Detail:

Die Overnight ETFs orientieren sich an dem kurzfristigen Euro-Zinssatz. Erläuterungen zur Euro-Short-Term-Rate (€STR) siehe Bundesbank Statistik

Im Factsheet zum 31.5.23 des Xtrackers wird eine €STR von 3,14% genannt. Der tagesaktuelle Wert  kann eingesehen werden bei der EZB. Bei weiteren Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank sollte auch der €STR weiter steigen und der ETF davon profitieren.

In punkto Umsetzung der Strategie gibt es kleine Unterschiede bei den 3 Fonds:

Xtrackers EUR Overnight Rate Swap (DBX0AN, TER 0,10%), Facts bei Xtrackers 

Lyxor Smart Overnight (LYX047, TER 0,05%), Facts bei Amundietf

Lyxor Euro Overnight (LYX0B6, TER 0,10%), Facts bei Amundietf

Nicht vergessen darf man den Hinweis, dass diese ETFs keine physische, sondern eine SWAP-basierte Replikationsmethode verwenden. Ein Grund dafür, warum in manchen Factsheets unter den größten Positionen keine Geldmarktpapiere, sondern Aktien wie Microsoft, Total, etc. aufgelistet werden! Die möglichen Risiken der synthetischen Replikation wurden vor einigen Jahren kontrovers diskutiert. In der Zwischenzeit ist das Thema eher in den Hintergrund gerückt. Detaillierte Informationen dazu findet man u. a. bei: ETF DWS

Die Ishares Euro Ultrashort (A1W375/A3DJQJ, oder die ESG-Tranche A2PW6Q, alle 0,09% TER) werden zwar bei den meisten Anbietern in der Peergroup „Geldmarktfonds“ gelistet, sind aber streng genommen eigentlich Rentenfonds. Sie investieren in sehr kurzfristige, auf Euro lautende Investment-Grade-Unternehmens-Anleihen. Lt. Factsheet zum 31.5.23 bei Ishares betrug die Effektivverzinsung 3,90% bei einer effektiven Duration von 0,45 Jahren.

CHARTS:

Chartvergleich 1 Jahr 4 Geldmarktfonds

 

Chartvergleich 2 Geldmarktfonds

Kommentar: gut zu erkennen, dass im Herbst 2022, nach den ersten Zinserhöhungen der EZB, eine Trendwende einsetzte. Die Overnight-ETFs, welche sich am Geldmarkt-Zins orientieren, erwiesen sich naturgemäß weniger volatil als die Ultrakurzläufer von Ishares. Letztgenannte mussten im Corona-Crash 3/2020 und im März 2023 sogar leichte Verluste hinnehmen.

FAZIT:

Aktuell sollten unter Rendite-/Risiko-Aspekten die besten Tagesgeld-Angebote mit deutscher Einlagensicherung noch leicht die Nase vorne haben gegenüber Geldmarktfonds. Die z. Z. zu erwartende Rendite der o. g. ETFs von ca. 3,1 – 3,9% p. a. dürfte die geringfügig höheren Risiken (Kursschwankungen bei den ultrakurzen Anleihen, Replikationsmethode, etc.) nicht ganz kompensieren. Bei angedachten Anlagen über 100K könnte die Limitierung der Einlagensicherung (s. o.) hingegen eher als Argument gegen Tagesgelder verstanden werden.

Diese Einschätzung kann sich aber relativ kurzfristig wieder ändern. Abhängig sowohl von den Tagesgeldangeboten der Banken, als auch von der Entwicklung der EZB-Leitzinsen -> siehe z. B. Onvista

Noch ein Tipp: der Spread (Differenz zwischen An- und Verkaufskurs) ist bei diesen Geldmarkt-ETF am Nachmittag MEZ am niedrigsten. Ein An- oder Verkauf, z. B. über Tradegate oder Quotrix, sollte also gegen 15 Uhr günstiger sein als am Vormittag oder in den Abendstunden.

 

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