In der letzten Januarwoche gerieten die weltweiten Aktienmärkte in Aufruhr. Grund waren Berichte über das chinesische KI-Tool „Deepseek“, welches mit preiswerter Hardware und einem Bruchteil der Kosten ähnliche Ergebnisse wie seine milliardenschweren US-Pendants ChatGPT, Gemini & Co erzielt haben soll. Kräftige Kursverluste, insbesondere bei den US-Technowerten, waren die Folge an den Börsen.
Inzwischen hat sich die erste Aufregung etwas gelegt. In der Folge soll der Sachverhalt nicht nur aus technischer Sicht, sondern auch in Bezug auf die Konsequenzen für den Bereich der Kapitalanlage betrachtet werden:
Technik:
Nach übereinstimmenden Berichten soll Deepseek auf einem ähnlichen Niveau wie OpenAIs o1-Version agieren. In einigen Benchmark-Tests hat es sogar besser abgeschnitten.
Die chinesische KI trainiert und optimiert seine Berechnungen so lange, bis das bestmögliche Ergebnis erreicht wird (reinforcement learning). Vergleichbar ist dies mit den Programmen Alpha Zero GO und Leela Chess Zero. Diese KI-Tools spielten solange gegen sich selber, bis sie fähiger und erfolgreicher als Menschen waren. Die KI lernt ohne menschliche Eingriffe und entwickelt sich immer weiter.
In punkto Deepseek wurden in der Zwischenzeit Zweifel geäußert, ob die von chinesischer Seite genannten geringen Kosten den Tatsachen entsprechen. Und wie weit das KI-Modell von einer Übernahme gelernten Wissens anderer KI-Modelle profitiert haben könnte.
Kapitalanlage:
Deepseek soll nur ca. 5% der Entwicklungskosten seiner US-Pendants verursacht haben. Dies wirft die Frage auf, ob weiterhin hohe Investitionen in teure Hardware (Chips, Rechenzentren, Stromerzeuger etc.) notwendig sein werden. Wodurch dann wiederum Firmen wie Nvidia & CO unter Druck geraten können. Auf der anderen Seite könnten aber auch der Software-Sektor und Unternehmen, die von Produktivitätssteigerungen durch KI profitieren, Profiteure der durch Deepseek angestoßenen Entwicklung sein. Stichwort: KI-Agenten. Diese können autonom Aufgaben übernehmen, die bisher nur ein Mensch erledigen konnte.
Weitere Betrachtungen diesbezüglich siehe den Artikel „Ist das Deepseek-Drama ein Wendepunkt für KI-Trades?“ bei JP Morgan
Fonds und ETFS:
Bereits im September 2023 wurde an dieser Stelle gefragt: Welche ETF würde ChatGPT empfehlen?
und im November 2024 wurden die anderen KI-Tools interviewt: Welche Fonds und ETF würden Perplexity, Gemini und Copilot empfehlen?
Nun galt es die gleiche Fragestellung an Deepseek zu richten. Und so begab ich mich im World Wide Web auf den Weg nach China. Natürlich bestens ausgestattet mit der allerneuesten Version eines Antiviren-Programms und unter Nutzung eines VPN. Den Browser startete ich in einer „Sandbox“, um fernöstliche und andere Eindringlinge nicht auf meinen PC zu lassen.
Die erste Kontaktaufnahme mit der chinesischen KI scheiterte. Offenbar wegen überlasteter Server und Hacker-Angriffen. Erfolgreich war ich dann schließlich bei der Verbindung über einen nagelneuen Google-Account. Die Konversation erfolgte in englischer Sprache (hier in der Folge meist ins Deutsche übersetzt).
Meine erste Frage an Deepseek war, wie aktuell denn sein Wissensstand sei? Die Antwort lautete, dass sein „knowledge cutoff“ July 2024 wäre. Aber er(?) könne auch aktuell auf das Internet zugreifen. Diese Behauptung testete ich sogleich, indem ich fragte, welche beiden Teams gestern das Endspiel um den Superbowl erreicht hätten. Trotz mehrfacher Variation der Fragestellung fand Deepseek aber nicht die richtige Antwort. Daher muss wohl doch von einem Wissensstand Mitte 2024 ausgegangen werden.
Nun stellte ich die Frage, welches die unter Chance-Risiko-Aspekten aussichtsreichsten aktiv gemanagten Fonds oder ETFs für einen Anlagezeitraum von mindestens 10 Jahren seien. Vorausgesetzt würde ein gut informierter und risikotoleranter Kapitalanleger, der ein ausreichend diversifiziertes Portfolio für die Langfrist-Anlage anstrebe.
Die Antwort von Deepseek
folgte schnell und sehr ausführlich:
„…
Sample Portfolio Allocation (for a Risk-Tolerant Investor):
- 40%: Broad Market U.S. Equity (e.g., VTI or IVV)
- 20%: International and Emerging Markets (e.g., VEU or VWO)
- 20%: Growth-Oriented ETFs (e.g., QQQ or ARKK)
- 10%: Sector-Specific ETFs (e.g., XLV or ICLN)
- 10%: Small-Cap/Mid-Cap ETFs (e.g., IWM or VO)
This allocation balances growth potential with diversification, aligning with a long-term investment horizon. However, the investor should tailor the portfolio based on their specific goals and risk appetite. Consulting a financial advisor for personalized advice is also recommended. …“
Die einzelnen Sektoren wurden im Detail erläutert, z. B.:
„… Vanguard Total Stock Market ETF (VTI) tracks the entire U.S. stock market, including large-, mid-, and small-cap stocks, … iShares Core S&P 500 ETF (IVV) …
iShares MSCI Emerging Markets ETF (EEM) … Vanguard FTSE All-World ex-US ETF (VEU): Provides exposure to developed and emerging markets outside the U.S. … „
Was auffällt:
Deepseek erwähnte ausschließlich ETFs. Zitat: „…Low Costs: Choose ETFs with low expense ratios to maximize returns over time…“
Bemerkenswert ist weiterhin der starke Fokus auf US-Werte. Die 40% in „Broad Market U.S. Equity“, plus den Anteilen von US-Aktien in den anderen ETF, würden eine deutliche Übergewichtung der USA ergeben. Produkte mit dem Fokus auf asiatische oder europäische Aktien wurden gar nicht genannt. Emerging Markets nur am Rande erwähnt. Dass ich die Verbindung mittels VPN und einer niederländischen IP-Adresse aufgenommen hatte, spielte offenbar keine Rolle. Offenbar ging Deepseek davon aus, von einem US-Investor befragt zu werden.
Daher modifizierte ich die Fragestellung und betonte explizit, dass es sich um einen europäischen Investor handele. Und dass die besten aktiv gemanagten Fonds oder ETFs unter Chance-/Risiko-Aspekten gesucht würden.
Die nachfolgende Antwort erfolgte auch wieder recht schnell. Dabei wurden nun in erster Linie aktiv gemanagte Fonds und nur wenige ETF genannt.
Deepseek:
„…Sample Portfolio Allocation (for a Risk-Tolerant European Investor):
- 30%: Global Equity Funds (e.g., Fundsmith Equity Fund or Baillie Gifford Global Discovery Fund)
- 20%: U.S. Equity Funds (e.g., T. Rowe Price US Large Cap Growth Equity Fund)
- 15%: Emerging Market Funds (e.g., Fidelity Emerging Markets Fund)
- 15%: Thematic/Sector Funds (e.g., Pictet Global Megatrend Selection Fund or iShares Clean Energy UCITS ETF)
- 10%: European Equity Funds (e.g., BlackRock European Flexible Equity Fund)
- 10%: Small-Cap/Mid-Cap Funds (e.g., Aberdeen Standard Global Smaller Companies Fund)
Final Thoughts: … For a balanced approach, combining actively managed funds with low-cost ETFs (e.g., for broad market exposure) can provide both growth potential and cost efficiency …“
Was sich bei der zweiten Antwort geändert hat:
Die regionale Aufteilung ist nun wesentlich stärker diversifiziert worden. Die genannten Fonds, z. B. Fundsmith, T. Rowe Price US oder Pictet Megatrend sind seit vielen Jahren am Markt und recht erfolgreich in ihren Peergroups. Bei den Fonds von BlackRock und Aberdeen handelt es sich um ältere Tranchen, vor Umbenennungen. Insgesamt ist der Portfolio-Vorschlag etwas growth-lastig.
Fazit:
die Antworten von Deepseek erscheinen ähnlich qualifiziert wie die der anderen, zuvor befragten, KI´s. Welches der von Perplexity, Gemini, Copilot, ChatGPT und ihrem neuen chinesischen „Kollegen“ vorgeschlagenen Portfolios in 10 Jahre am erfolgreichsten sein wird, lässt sich seriös nicht einschätzen. Blind folgen sollte man den Ratschlägen der „künstlichen Intelligenzen“ ohnehin nicht. Letztlich handelt es sich NICHT um eine Hochrechnung, welche Fonds oder Etfs über eine langen Zeitraum besonders erfolgreich sein werden. Sondern um den Wissensextrakt diverser Fundstücke aus dem Internet, wo Menschen ihre Betrachtungen erläutert haben. Ein bekannter (menschlicher) Fondsmanager äußerte sich kürzlich einmal in dem Sinne, dass die KI´s gut „abschreiben“ könnten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Antworten von Deepseek wertvolle Einblicke bieten, jedoch nicht als alleinige Entscheidungsgrundlage für Investitionen dienen sollten.
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